Donnerstag, 3.12.2015, 20:15 Uhr
Kathrin Peters (Berlin)
Der längste Tag. Zu Agnès Vardas CLÉO DE 5 À 7 (F 1961)
Am Beginn von „CLÉO“ steht eine Prophezeiung, am Ende eine Prognose. Dazwischen ist Warten und der Film handelt von diesem Warten (oder mit ihm): Zeit verstreicht, Zeit vergeht, Cléo vertreibt die Zeit, lässt sich treiben, driftet durch Paris. Die Stadt ist hier mehr als eine Kulisse, die Stadt spielt, wie Frieda Grafe es einmal formuliert hat, den Menschen mit. Eine Transformation ereignet sich, in der sich das weibliche Subjekt anders zu seiner Umgebung in Beziehung setzt. Und außerhalb der Szene tobt der Algerienkrieg, von dem im Film nichts zu sehen, aber immer wieder zu hören ist. Wie erzählt Agnès Varda einen Feminismus, der 1961 noch kaum auf diesen Namen hörte? Wie zeigt sich das Ende des Kolonialismus, von dem noch nicht abzusehen war, wie lange es andauern würde?
Über die Referentin
Kathrin Peters ist Professorin für Geschichte und Theorie der visuellen Kultur an der Universität der Künste Berlin. Sie forscht zu Formen des Fotografischen, zum Verhältnis von Gender und Medien und zur Geschichte der Gestaltung und leitet die Redaktion der Zeitschrift für Medienwissenschaft.
Film:
CLÉO DE 5 À 7 Mittwoch zwischen 5 und 7
Frankreich/Italien 1962. R: Agnès Varda. D: Corinne Marchand, Antoine Bourseiller, Dominique Davray. 90 Min. 35mm. OmeUCLÉO DE 5 À 7 war Agnès Vardas großer Durchbruch: Die junge Sängerin Cléo ist fest davon überzeugt, an Krebs erkrankt zu sein. Bis zu ihrem Arzttermin und der Diagnose sind es jedoch noch zwei Stunden des bangen Wartens, die sie überbrücken muss. Die Angst vor dem Tod treibt Cléo auf die Straßen von Paris, wo sie in quälend langen Momenten der Ungewissheit ihren Gedanken über das Leben nachhängt und einem jungen Soldaten begegnet, der kurz vor dem Kriegseinsatz in Algerien steht. Dabei entdeckt Cléo, dass die existenzielle Angst ihre persönliche Weltsicht nachhaltig verändert. Agnès Varda folgt ihrer Protagonistin ästhetisch außergewöhnlich in Echtzeit.